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Minister Lindemann veröffentlicht Auswertung zur Anwendung von Antibiotika bei Nutztieren

28. 11. 2011

Hannover. Nach Aufarbeitung von niedersachsenweit erhobenen Daten zum Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung liegt nun der Bericht des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung vor. Der Bericht beinhaltet detaillierte Daten, etwa zur Häufigkeit von Behandlungen in Mastdurchgängen, zur Dauer von Behandlungen und zu den eingesetzten Wirkstoffen. Am 10. November 2011 hatte Landwirtschaftsminister Gert Lindemann anlässlich einer Landtagsdebatte zum Antibiotikaeinsatz bereits erste Zahlen aus der Erhebung bekanntgegeben.

Ausweislich des Berichts kamen in ca. 83% der untersuchten Masthühnerbetriebe und in 92% der Betriebe mit Putenaufzucht und -mast antimikrobiell wirksame Stoffe zum Einsatz. Bei Mastschweinen setzten 77% der Betriebe, bei der Aufzucht von Mast-Jungrindern (Fresser) 80% und in den Mastkälberbeständen 100% der Betriebe Antibiotika ein. Dabei schwankte der Antibiotikaeinsatz nicht nur von Betrieb zu Betrieb, sondern vor allem auch von Mastdurchgang zu Mastdurchgang innerhalb eines Betriebes. Aus den Ergebnissen der niedersächsischen Arzneimittelerhebung lässt sich kein Zusammenhang zwischen der Größe eines Tierbestandes und der Häufigkeit des Arzneimitteleinsatzes ableiten. Auch lässt die Häufigkeit der Anwendung von Antibiotika keine Aussage über deren illegale Behandlung zu.

Diese und weitere Erkenntnisse sind Grundlage für die von Minister Lindemann während der November-Plenarsitzung vorgestellte Minimierungsstrategie zum Antibiotikaeinsatz. Die Strategie sieht unter anderem vor, dass die im Bericht vorgestellte „Therapiehäufigkeit künftig betriebsindividuell" erfasst werden soll. Die Therapiehäufigkeit ermöglicht einen Vergleich von Arzneimitteleinsätzen und gibt Tierhaltern und bestandsbetreuenden Tierärzten ein Instrument an die Hand, den Arzneimitteleinsatz positiv zu beeinflussen. Die Weitergabe von Erfahrungen aus Erzeugerbetrieben, die durch keinen oder geringen Antibiotikaeinsatz und ein effektives Tierhaltungsmanagement gekennzeichnet sind, gilt es dabei zu nutzen.

Die Minimierungsstrategie umfasst auch eine sachliche Bewertung der Erhebungsergebnisse. „Zu schnell werden gelegentlich nicht zutreffende Schlüsse aus Erhebungen gezogen", erklärt Minister Lindemann. Ein Beispiel ist die Resistenzentwicklung bei MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus)-Keimen. Vorschnell wurde die Tierhaltung als hauptsächliche Ursache für die Resistenzentwicklung dieses Krankheitserregers gegen Antibiotika verantwortlich gemacht. Untersuchungsergebnissen zufolge sind die normalerweise beim Menschen vorkommenden multiresistenten Keime zumeist nicht dieselben, die in der Tierhaltung vorkommen.

Die Minimierungsstrategie steht im Kontext mit den Bestrebungen aller Beteiligten des am 23. und 24. November 2011 vom Bundesinstitut für Risikobewertung ausgerichteten Forums „Verbraucherschutz".

Der Bericht ist hier abrufbar.

Natascha Manski
Nds. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung
Pressesprecherin
Calenberger Str. 2
30169 Hannover
Tel: 0511/120-2137
Fax: 0511/120-992137

Kann davon ausgegangen werden, dass der "schlitzohrige" Minister Gert Lindemann auch eine "schlitzohrige" Pressesprecherin beschäftigt?

Der Begleittext zum Gutachten gibt es wieder: Es ist ja alles gar nicht so schlimm in Niedersachsen. Nur 83 Prozent der Masthühner werden mit Antibiotika versorgt. In NRW erhalten immerhin 96,4 Prozent der gemästeten Hühner Antibiotika.

Lindemann versucht die Empörung vieler Verbraucher über den aufgedeckten Skandal über Antibiotikamissbrauch bei der Hühnermast herunterzuspielen. Da Antibiotika als "Wachstumsbeschleuniger" wirkt, unterliegen viele Mäster deshalb der Versuchung, sie als "Wachstumsdoping" für ihre Hühner einzusetzen. Der illegale Handel über das Internet wird weiterhin rasant zunehmen! Diese Zahlen fließen nicht in die Erfassung der Zahlen über den Antibiotikaeinsatz ein.

Lindemann sagt: "Auch lässt die Häufigkeit der Anwendung von Antibiotika keine Aussage über deren illegale Behandlung zu". Wenn hier durch Großmäster und deren Tierärzte nach Meinung des Ministers kein massiver Medikamentenmissbrauch vorliegt, was muss noch passieren, damit der Minister das ausspricht, was ohnehin alle wissen: "Hier arbeiten große Teile der Agro-Industrie mit kriminellen Mitteln!" Seit 2006 ist der Antibiotikaeinsatz zur Wachstumsförderung EU-weit verboten. Auch auf EU-Ebene landen immer noch 50 Prozent der eingesetzten Antibiotika in der Tiermast. Es ist zu hoffen, dass die entsprechenden Staatsanwaltschaften nicht von der Politik so beeinflusst werden, dass sie Ermittlungen in dieser Sache unter den Tisch fallen lassen.

Lindemann sagt: "Die Strategie sieht unter anderem vor, dass die im Bericht vorgestellte „Therapiehäufigkeit künftig betriebsindividuell" erfasst werden soll". Mehr als die Hälfte aller Hühnermastbetriebe in Deutschland haben ihren Sitz in Niedersachsen. Genaue Zahlen, wie viele Medikamente insgesamt in Deutschland eingesetzt werden, gibt es nicht. Aus "datenschutzrechtlichen Gründen" (Bundeslandwirtschaftsministerium) werde auch in Zukunft für die Geflügelbranche nicht aufgelistet, wohin Medikamente geliefert werden. Hier scheint bei der Gesetzgebung die Geflügellobby an dem Gesetz intensiv mitgearbeitet zu haben, sofern nicht schon im Ministerium die Lobbyisten verbeamtet sind.

Lindemann sagt: „Zu schnell werden gelegentlich nicht zutreffende Schlüsse aus Erhebungen gezogen". Was heißt hier schnell? Der Missbrauch von Medikamenten in der Hühnermast findet doch nicht erst seit letztem Monat statt. Die ersten Presseartikel zum Medikamentenmissbrauch erschienen bereits vor rund 10 Jahren. Wo waren da die Behörden? Wie groß war der Verhinderungsdruck der Lobbyisten aus der Pharmaindustrie? Das Robert-Koch-Institut hatte bereits am 7. Februar 2001      eine Pressemitteilung zu diesem Thema herausgegeben.

Lindemann sagt: "Vorschnell wurde die Tierhaltung als hauptsächliche Ursache für die Resistenzentwicklung dieses Krankheitserregers gegen Antibiotika verantwortlich gemacht." Die besonders gefürchteten MRSA- Erreger wurden laut eines Berichts des Bundesinstituts für Risikobewertung in 25% des verkauften Hühnerfleischs und in 43% des Putenfleischs gefunden. In 52% aller Schweineställe wurden MRSA Erreger nachgewiesen. Auch im Tauwasser von Tiefkühlhähnchen fand das Hamburger Hygieneinstitut MRSA-Keime.

Lindemann sagt: "Untersuchungsergebnissen zufolge sind die normalerweise beim Menschen vorkommenden multiresistenten Keime zumeist nicht dieselben, die in der Tierhaltung vorkommen." Nach dieser Aussage könnte man annehmen, dass die MSRA-Bakterienstämme aus Krankenhäusern, auf deren Konto jährlich mehrere tausend Todesfälle in deutschen Krankenhäuser gehen, das eigentliche Problem sind. Die harmlosen MSRA-Bakterienstämme aus der Massentierhaltung brauchen nicht beachtet werden. Diese kommen in Krankenhäusern nicht vor. Weshalb werden dann in vielen deutschen Krankenhäusern sogenannte Risikopatienten, Veterinärmediziner und Bauern, vor der Aufnahme auf MRSA getestet?  Menschen können sich durch direkten Kontakt mit den Tieren anstecken, durch Nahrungsmittel tierischen Ursprungs oder durch die Ausscheidungen der Tiere, die in die Umwelt gelangen bzw. durch gedüngte Pflanzen wieder in die Nahrung des Menschen kommen. Um diese Entwicklung nicht weiter zu unterstützen, rät die EFSA von der Antibiotika-Behandlung von Tieren ab, die der Lebensmittelgewinnung dienen. Es besteht die Möglichkeit, dass sich die unterschiedlichen MRSA-Stämme genetisch verbinden. In diesem Fall ist damit zu rechnen, dass dieser "Killerkeim"  großen Schaden an der Gesundheit der Menschen anrichten wird.

Die Süddeutsche Zeitung berichtet: "Der frühere Vizepräsident der bayerischen Landestierärztekammer Rupert Ebner wirft Großmästern und auch Tierärzten massiven Medikamentenmissbrauch vor. Auf diese Weise werde eine Tierhaltung ermöglicht, die ohne den Einsatz etwa von Schmerzmitteln gar nicht denkbar wäre".

Der Filmbeitrag der Süddeutschen

 

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