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Privilegiertes Bauen für Stallanlagen

23. 02. 2011 | 20. 02. 2014

"Landwirtschaftlich" oder "gewerblich"? Missbräuchliche Anwendung des Gesetzes!

Baurechtlich "nichtlandwirtschaftliche", sogenannte "gewerbliche Betriebe", die eine fünfzigprozentige Futterflächengrundlage nicht nachweisen können, waren früher beim Bauen im Außenbereich nicht privilegiert, genauso wenig wie andere Gewerbebetriebe. Derzeit werden die meisten Ställe aber genehmigt durch missbräuchliche Nutzung des ursprünglich nur als Ausnahmeparagraph gedachten § 35.1.4.: für Vorhaben, die wegen ihrer "besonderen Anforderungen an die Umgebung", ihrer "nachteiligen Wirkung auf die Umgebung" oder wegen ihrer "besonderen Zwecksetzung" nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen.

Das Baugesetzbuch unterscheidet zwischen landwirtschaftlichen und gewerblichen Ställen.

Sie werden als landwirtschaftliche Ställe eingestuft, wenn die erforderliche Futtermenge überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann (Vgl. BauGB §201).

Anlagen, die diese Forderung nicht erfüllen können sind gewerblich.

Ein Hähnchenmaststall mit der derzeitigen Standardgröße von 84000 Plätzen benötigt als Futtergrundlage den Ertrag von 160-240 Ha Ackerfläche.

Damit der Stall als landwirtschaftlich eingestuft werden kann, muss der Betreiber also 80-120 Hektar (abhängig vom Bodenertrag) ungebundene landwirtschaftliche Nutzfläche nachweisen können. Weitere Informationen hier

Ein landwirtschaftlicher Stall ist nach Baugesetzbuch § 35 Abs. 1 Nr. 1 im Außenbereich privilegiert, d.h. die Baugenehmigung darf nicht verweigert werden, wenn alle gesetzlichen Vorgaben im Hinblick auf Umwelt- und Anwohnerschutz, usw. erfüllt sind.

Ein gewerblicher Stall kann nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 privilegiert sein, wenn die betreffende Gemeinde keine Gebiete für gewerbliche Vorhaben ausgewiesen hat. Es ist also keineswegs selbstverständlich, dass solche Anlagen auf der grünen Wiese gebaut werden dürfen!

Nach Auffassung vieler Juristen müssen diese Ställe in ausgewiesenen Gewerbegebieten gebaut werden.

Die Ursache für die Privilegierungs-Misere, die sich in ländlichen Räumen derzeit abspielt, ist auf eine zu großzügige Auslegung des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB zurückzuführen, die die gewerbliche Intensivtierhaltung zu den Vorhaben rechnet, die im Außenbereich privilegiert zulässig sind.

Diese Auslegung geht auf einen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 27.06.1983 zurück, der besagt, dass „es auf der Hand liege“, dass ein Geflügelstall mit 180.000 Mastplätzen wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll.

Das führte dazu, dass Verwaltungen und Instanzgerichte Intensivtierhaltungsanlagen regelmäßig im Außenbereich zugelassen haben und noch zulassen. Den heutigen tatsächlichen Verhältnissen ist diese Auslegung nicht mehr angemessen, zumal sich diese Anlagen ihre Futtergrundlage auf dem globalen Markt beschaffen.

Nach Auffassung von Fachleuten sind gewerbliche Tierhaltungsanlagen nicht anders zu bewerten als andere emittierende gewerbliche und industrielle Anlagen.

Eine bevorzugte Zulassung von Tierhaltungsanlagen ist also äußerst zweifelhaft, zumal für diese grundsätzlich auch Baugebiete (Gewerbegebiet, Industriegebiet) ausgewiesen werden könnten und generell eine Abgasreinigung, wie für vergleichbare Anlagen auch, vorgeschrieben werden müsste.

Weitere Informationen:

20. 02. 2014 - EN - Zur Anwendung des Begriffs "Landwirtschaft" gemäß § 201 BauGB

27. 04. 2013 - NWZ - Hohe Hürden für neue Mastställe

03. 04. 2013 - Kreiszeitung - Keine Privilegien für Großställe

30. 01. 2013 - HAZ - Streit um Bauprivileg

2012 - EN - Kritischer Agrarbericht 2012

22. 02. 2012 - Prof. Dr. Axel Priebs - Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe

29. 01. 2012 - Berliner Umschau - Aigner lehnt Gesetzesnovelle zur Massentierhaltung ab

02. 08. 2011 - topagrarOnline - Lindemann startet Initiative gegen Bau-Privilegierung

31. 07. 2011 - Hannover Zeitung - Grüne wollen klares Ende der Bauprivilegierung für Tierfabriken

29. 07. 2011 - Emder Zeitung - Bauern-Privilegien nicht verhökern

04. 07. 2011 - LK Emsland - Beschluss zur Entprivilegierung landwirtschaftlicher Vorhaben

23. 02. 2011 - HAZ - Maststall-Boom dank des Bauprivilegs

2008 - Prof. Dr. Felix Ekardt - Die Privilegierung der Landwirtschaft im Umweltrecht

25. 04. 2001 - NWZ - Bauprivileg gilt nicht mehr für jeden Landwirt